Der Wauwiler Bäcker Eigenbrötler stellt seine Produkte ins Rampenlicht – mit grossem Erfolg. Auf dem Markt stehen seine Kunden Schlange; dabei spielen Preise eine Nebenrolle.

Die Strassen von Wauwil sind früh am Morgen menschenleer. Nur selten kreuzt ein Auto meinen Weg. Auf der rechten Strassenseite beleuchten die Lichter von Suter’s Millefeuille Café im Wetteifer mit den Strassenlaternen meinen Weg. Im Erdgeschoss des Cafés erkenne ich durch die milchigen Fenster die Umrisse von zwei Bäckerinnen. Hier muss es sein! Doch wo ist der Laden? Nach kurzem Klopfen trete ich in die Backstube ein. Mit einem breiten Lachen streckt mir ein in Blau gekleideter Mann die Hand entgegen. Seine Haare und sein Bart sind zu einem Zopf geflochten. Direkt unterhalb des Kinns ist der Zopf mit einer Haarklemme befestigt. Das muss er sein: der Eigenbrötler von Wauwil.

Eine Nische

Daniel Amrein führt mich zum kleinen Tisch in der Backstube. «Ich bin der Dani, machen wir’s doch einfach. Es spricht sich besser, wenn wir per Du sind», hält der bärtige Bäcker fest. Vor 15 Jahren übernahm Daniel Amrein, genannt Eigenbrötler, die traditionelle Bäckerei von seinem Vater. Daniel Amrein wollte seine Ideen verwirklichen und die Bäckerei radikal verändern. Keine Backmischungen, vermehrt Bioprodukte und zurück zum Ursprung des Backens. Er vermietete das Café im oberen Stock an einen Bäckerkollegen, schloss den Laden und vergrösserte die Produktion. Seine Bäckerkollegen backen jeden Morgen ein- bis zweimal und abends auch noch. Doch der Eigenbrötler drehte den Spiess um, pflegt seine Teige und stellt jede Füllung und Konfitüre für seine Backwaren selber her. Er kauft ganze Brotkörner ohne Spelzen direkt beim Müller. Lässt die edlen Körner im Wasser quellen und stellt selber Brühstücke her. Brühstücke dienen zur Verquellung gröberer Brotbestandteile (z. B. Körner, Saaten, Schrote), um den Kaueindruck und die Frischhaltung des Brotes zu verbessern. Für ein Brühstück werden Körner mit kochendem Wasser im Verhältnis eins zu eins vermischt und mindestens fünf Stunden gequollen. Diesen zusätzlichen Aufwand nimmt der Eigenbrötler gerne in Kauf. «Unsere Brote sind durch die lange Triebführung länger haltbar. Der Kunde kauft bei uns zweimal in der Woche Brot. Das wird nicht warm verkauft, sondern bleibt einfach länger frisch», erklärt Daniel Amrein mit einem verschmitzten Lächeln.

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Die Stadt ist weiter

«Von überall wird den Bäckern in den Mund gelegt, dass nur warmes Brot frisches Brot sei. Mit unserer Produktion und unserem Erfolg beweisen wir das Gegenteil», hält der Eigenbrötler fest und erklärt: «Wir verkaufen am Wochenmarkt in Luzern am Dienstag und Samstag den grössten Teil unserer Brotproduktion. In Luzern besuchen uns viele Stammkunden, die nur Brot bei uns kaufen. Dabei spielt der Nachhaltigkeitsgedanke bei den Marktbesuchern, meist Stadtbewohner, eine grosse Rolle. Das Brot wird geplant eingekauft und reicht bis zum nächsten Markt. Das hat nichts mit den ‹Grünen› oder ‹Chörnlipickern› zu tun. Nur gerade 20 bis 30 Prozent unserer Kunden haben eine spezielle Ernährungsform. Es kann auch sein, dass ein Kunde mit einem teuren Porsche vor unserer Produktion hält und das übers Internet bestellte Brot bei uns abholt.» Daniel Amrein dreht an seinem Bart und klemmt ihn unter dem Kinn mit der Haarklemme wieder fest. Er fährt weiter: «Grundsätzlich kommen unsere Kunden aus total unterschiedlichen Gesellschaftsschichten. Eines haben sie gemeinsam: Sie schätzen unsere Bioprodukte, das Handwerk, die lange Haltbarkeit und Brot wegschmeissen ist ein Tabu.»

Die Eigenbrötler-«Haustiere»

Daniel Amrein erklärt, dass er an vier Tagen in der Woche bäckt und an einem Tag Halbfabrikate zubereitet. Eigentlich ein schönes Leben. Zwischendurch geniesst er die Freiheit auf einem seiner vier Oldtimer-Töffs. Doch beim Nachfragen kommt die Wahrheit ans Licht. An den restlichen Tagen pflegt er seine Haustiere! Haustiere? Der Eigenbrötler grinst und klärt auf: «Am Sonntag und Montag pflege ich meine Teige. Die brauchen genauso viel Pflege wie ein Hund oder eine Katze. Wir haben fünf verschiedene Sauerteige, die müssen zweimal pro Tag mit Mehl und Wasser ‹ernährt› werden. Dann forme ich die Teige und bereite sie für das Backen vor.» «Dann arbeiten Sie doch sieben Tage in der Woche?» «Nein, nebst meinen ‹Haustieren› ist auch viel Platz fürs Töfffahren und natürlich verbringe ich etliche Zeit mit meiner Lebenspartnerin.»

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Zu klein für die Grossen

«Wir beliefern nicht jeden», dies erklärt der Eigenbrötler in seiner trockenen Art. «Das heisst nicht, dass wir arrogant sind.» Zum Beispiel wollte ein grosser Comestibler in Zürich das Brot aus Wauwil. Der Eigenbrötler wollte nicht liefern, weil er den Aufwand scheute. In einer knapp 100 Quadratmeter grossen Backstube Brot für einen so grossen Konzern zu backen, ist eine besondere Herausforderung. Nach der vierten Anfrage erstellte der Eigenbrötler eine Offerte mit seiner Preisvorstellung. Der Comestibler winkte ab, der Eigenbrötler war nicht unglücklich. Doch zwei Wochen später luden die Einkaufsleiter des Comestiblers den bärtigen Bäcker nach Zürich ein. «Man wurde sich einig, doch ein ‹kleines Detail› blieb offen: Wie kommt das Brot von Wauwil nach Zürich? Für mich wäre es finanziell nicht tragbar, das Brot nach Zürich zu transportieren», hält Daniel Amrein fest. «Der Comestibler-Lastwagen hält jetzt in Wauwil und bringt das Brot nach Zürich.» Daniel Amrein wird keine Träne vergiessen, wenn eine Lieferung wegfällt. «Ich will nicht Massen produzieren, denn ab einer gewissen Menge wird es schwierig, meine Qualität, die ich meinen Stammkunden schuldig bin, zu halten.»

Das Brot findet meine Kunden

«Immer wieder kamen Marktkunden zu mir, die nach eigenen Angaben mein Brot besser vertragen als das von anderen Bäckereien. Das überraschte mich», hält Daniel Amrein fest. «Ich konnte mir nicht erklären, warum mein Brot bekömmlicher sein soll als andere.» Mittlerweile ist klar, warum. Die Richemont Fachschule in Luzern hat herausgefunden, dass die Langzeitführung des Teiges das schwer verdauliche Phytin im Brotgetreide abbaut. Phytin ist ein Stoff, der den Schädlingsbefall beim Getreide verhindert und oft Verdauungsstörungen verursacht. Dies wurde nun auch wissenschaftlich bestätigt. Jetzt wird empfohlen, vermehrt Sauerteige oder gelagerte Teige herzustellen. «Für uns nichts Neues, wir stellen seit mehr als 15 Jahren diese Brote her», hält der Eigenbrötler fest.

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Schluss mit dem Café

Der Eigenbrötler hat eine ausgeprägte Leidenschaft für seine Brote und deren Herstellung. Die Zeit ist nun gekommen, um diese Leidenschaft weiterzuentwickeln. Manchmal sind es fast zu viele Ideen, die dem bärtigen Bäcker im Kopf umherschwirren. «Wir haben dem Mieter des Cafés im oberen Stock gekündigt und bauen um. Auf der einen Seite eine Backstube für glutenfreie Produkte und auf der anderen Seite ein Holzofen. Mein Traum war immer, im Wald auf offenem Feuer in einem Ofen zu backen. Dieser Traum wird nun annähernd in Erfüllung gehen. Rund um den Holzofen wird mein Revier sein», erklärt Daniel Amrein voller Begeisterung, «endlich kann ich mir für meine neuen Brotkreationen Zeit nehmen.»

Fotos: bienz-photography.ch

Backen braucht Zeit, richtig viel Zeit.

Daniel Amrein

Erich Büchler

Erich Büchler

Autor

Früher kreierte ich als Koch aussergewöhnliche Gerichte aus Schlüsselblumen und Brennnesseln.

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